Lexikalische Begriffsbestimmung: KATEGORIEN

1. Der altgriech. Terminus kategoria wurde von Aristoteles (384-322) in die Philosophie eingeführt. - Die aristotelischen KATEGORIEN dienten der Analyse der Satzglieder zum Zwecke der Beurteilung von Sinn und Unsinn einer Rede (Aristoteles: Top 103b 20ff; De cat. 1 b 25 ff). Aristoteles bestimmte 10 KATEGORIEN: Substanz, Quantität, Qualität, Relation, Wo, Wann, Lage, Haben, Wirken und Leiden. Da das Sein sich im griech. gedachten Logos offenbart, sind die logischen Typen der Prädikation zugleich ontologische Prinzipien des Seienden. Das bedeutet: Die kategoriale Analyse von Satzgliedern ist fundiert im Sein, die KATEGORIEN sind Momente des immer schon vorausgesetzten Vermitteltseins von Sein und Denken. Mit Descartes (1596-1650) wird die Korrespondenz von Sein und Logos zum Problem, und daraus resultiert die Frage, ob die so gefundenen KATEGORIEN den Gesamtraum der Wirklichkeit vollständig erfassen.

2. Die Frage nach der Vollständigkeit konnte erst von Kant (1724-1804) in der transzendentalen Deduktion der KATEGORIEN aus den Funktionen des Urteilens beantwortet werden. Die KATEGORIEN sieht Kant als "die wahren Stammbegriffe des reinen Verstandes" (KrV B 107), die die Welt möglicher Erfahrung strukturieren. Die KATEGORIEN gewinnt Kant aus den Urteilsformen, die zusammen mit den Anschauungsformen - Raum und Zeit - den Gesamtraum der Erfahrung bilden. Waren bei Aristoteles Irrtümer die Folge von KATEGORIENverwechslungen, so entstehen sie bei Kant durch den illegitimen Gebrauch der KATEGORIEN außerhalb des Bereichs möglicher Erfahrung (dialektischer Schein). Die KATEGORIEN erweisen sich als die Grundkonstruktion der Welt der Erfahrung, erhalten aber infolge der erkenntnistheoretischen Voraussetzungen eine idealistische und subjektivistische Wende Erkenntnis).

3. Die KATEGORIEN, die von Aristoteles bis Kant einen kritischen, instrumentalen Charakter haben, werden bei Hegel (1770-1831) zu relativen Momenten des Zu-sich-selbst-Kommens der Vernunft. Hegel verbindet wieder Sein und Denken, indem er die Gelichtetheit des Seins und das Erkennen als seiend postuliert und im prozessualen Übergang von der KATEGORIEN des Ansichseins zur KATEGORIEN des Fürsichseins die Grundgeschichte des Seins aufzeigt. In der KATEGORIEN Hegels hat sich das Denken in der Weise zum Gegenstand, in der es sich gerade als Gegenstandsbeziehung zum Gegenstand macht.

4. Das Denken der KATEGORIEN ist heute im Spannungsfeld von Aristoteles und Kant angesiedelt, und davon ausgehend führt es von der Allgemeinheit nicht mehr deduzierbarer Prinzipien bis zu einer als beliebig verstandenen einzelwiss. AxiomatiKategorien Die wissenschaftstheoretische Relevanz des Problems der KATEGORIEN führt von H. Rickerts (1863-1936) Unterscheidung methodischer und konstitutiver KATEGORIEN bis zu E. Husserls (1859-1938) formaler und regionaler KATEGORIEN und zeigt eine Verschiebung des KATEGORIENproblems von der transzendentalen Logik zur Ontologie.

In der Analytischen Philosophie gewinnen die KATEGORIEN ihre kritische Funktion wieder. Aus einer kritischen, idealsprachl. Philosophie sollen durch Rückführung der logisch-mathematischen Begriffe auf wenige Grundbegriffe die KATEGORIEN gewonnen werden (Frege, Russell, Whitehead, Carnap etc.).

Lit.: Trendelenburg,A.: Geschichte d. KATEGORIENlehre, Berlin l846 (Neudr. Hildesheim 1963) - Husserl, E.: Logische Untersuchungen, Halle l900 (1968) - Whitehead,A. N./Russell, B.: Prinapia mathematica 1-3, Cambridge 1925-1927 (Neudr, Frankfurt/M. 1986) - Fink,E.: Hegel, Frankfurt/M. l977.

Heinz Husslik